Heidi Trautmann

133 - Lyrik und Fagott im Goethe-Zentrum Nicosia - Review in German only
3/24/2010

 

 

Von Heidi Trautmann

 

Das Goethe-Zentrum Nicosia lädt Sie herzlich ein zu einer

Gedichtlesung mit einem der meist beachteten deutschsprachigen

Lyriker der jungen Generation

Björn Kuhligk

am Freitag, den 19. März 2010, 20.00 Uhr

im Goethe -Zentrum Nicosia

 

Begrüßung durch den Botschafter der

Bundesrepublik Deutschland,

Herrn Dr. Gottfried Zeitz

 

Vortrag der Gedichte in deutscher Sprache

durch den Lyriker selbst und

Gespräch mit dem Autor.

 

Musik: Miriam Butler, Fagott

 

Ein Empfang folgt im Anschluss

 

Dies war die Einladung, der wir folgten. Ein junger deutscher Lyriker auf Zypern. Ein Berliner, 1975 dort geboren und immer noch dort, arbeitend. Erst dieser Abend, dann der grosse Abend mit zypriotischen Dichtern zwei Tage später. Ich fragte ihn, ob er die zypriotischen Dichter und ihre Werke kenne, nein sagte er, er freue sich darauf, auf Sonntag, den 21. März.

Ein Rucksack stand neben seinem Stuhl, er ist wohl auch Vielreisender, immer bereit zu kommen und zu gehen, eben auf der Durchreise. Er reist viel, lese ich, doch Poeten  reisen immer, auf der Suche sind sie. Wonach? Nach dem Kern, nach Kernen im allgemeinen?

Wir lassen uns einstimmen von Miriam Butler, einer Rothaarigen, die Fagott spielt, alleine, d.h. sie ist nicht alleine, sie ist in Begleitung ihres Fagotts. Ich habe nie Fagott Soli gehört, doch es gibt Stücke geschrieben dafür, und wir hören im Wechsel mit Lyrik eine seltsame Erdigkeit.

Björn Kuhligk, ein schmaler junger Mann sitzt auf seinem Stuhl vor uns, die wir im Kreis herum zuhören, und er liest aus seinen Büchern, gibt uns Momentaufnahmen zu hören. Er ist ein Vollwahrnehmender: der Talisman am Spiegel seines Taxifahrers fällt ihm als wichtig auf und er notiert es. Er muss notieren, da sind zu viele Eindrücke.

 

Damals

Wir fuhren achtspurig in Paris
das Laternenlicht zog
in zwei langen Schnüren mit uns

ich hatte meinen rechten Arm
um dich gelegt
und dir eine Kußspur übers Gesicht gezogen

du schliefst
und warst woanders
im Traum

(die Ungeheuer, weißt du)

ob ich dich treffen kann
auf der anderen Seite des Schlafes
immer schleichst du dich davon

und ich allein
mit der Ungewißheit
zu träumen nach dir

blaue Verkehrsschilder
leuchten ein Bild
auf meine Stirn

(die Warteschleife, weißt du)

auf deinen Wangen
ruft sich der Beischlaf aus

pour A.

 

LANDSCAPE

Hier ist es still, am Morgen hinterließ
der kopflose Hahn des Dorfidioten
einen Kreis hellen Blutes in dieser
verschneiten Dezembergegenwart
sagte der Idiot, ach, diese Pracht muß
ein Abgrund sein, der ginge mit seiner
kirchturmlangen Neurose über den Marktplatz
daß es einem leid tun könne, singen
die Gymnasiasten im Radio Ich möcht so gern
am Fließband stehn, und alles, alles
fließt so schön, in der Kneipe der Pfarrer
der Lehrer und der, dem der Rest gehört
trinken Sauwein aus Haßdorf und Dekaden
später kippt, das Licht am Horizont hinab

Björn Kuhligk (*1975)

 

Ich will mehr wissen von diesem Dichter uns lese im Internet eine Kritik von Marcus Roloff im Poetenladen zu dem folgenden Gedicht:

Erlebnisgedicht aus dem Spreewald

Wir sitzen hier und trinken
Erich-Baben-Bier, der Wald, stehend
die Kanäle, das Wasser darin, jawohl
fließend, der nach Rauch und Reife
riechende Mann, der uns mit
gleichmäßigen Stößen, spaziert umher
und diese eine Libelle, jene Prachtlibelle
die mit ihrer geradezu unbehausten Zartheit
das Folkloredickicht zerstört, sie steht, das kann man
nicht anfassen, unter Realismusverdacht


.......Wir sitzen hier und trinken – diese erste Zeile sagt ganz unmetaphorisch etwas über Kuhligks Ansatz aus: nämlich im Gedicht davon zu reden, was einer tut. Das, was einer tut, ist sichtbar, und dieses Sichtbare unabhängig von dessen Absichten und dem, was er gerade denkt oder fühlt. Tun ist klar und deutlich wie ein gezeichneter Umriss, es äußert sich als Geste oder Pose – und die sind zunächst Grundlage des Textes. Frei nach dem Ausspruch ‚wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind‘ ergibt sich Gesellschaft (das Gedicht ist fünf Berliner Dichtern gewidmet), und Gesellschaft im nicht-statis­tischen Sinn ist das Gegenteil von abstrakt. Im ERLEBNISGEDICHT richtet sich der Blick auf Naturdinge und bleibt vor denen selber ‚unbehaust‘, d.h. als Zuschauer sitzen.....Marcus Roloff , 28.03.09

 

Die Lyrik ist im Vormarsch, es wird wieder gedichtet, und gerade die Jungen kommen und werden gehört. Eine mächtige Welle. Wir sehen es auch hier auf unserer Insel.

Am 23. März ist in Nicosia Nord ein Internationaler Dichterabend und es kommen Dichter mit ihren verschiedenen Sprachen und lesen ihre Gedichte in ihrer eigenen Sprache der Musik wegen, und alle verstehen sich. Und sie nehmen ihre Gedichte und tragen sie in die Welt auch, Ende des Jahres wohl auch nach Berlin.

Ich höre eben, dass Björn Kuhligk nicht an der Veranstaltung im Norden der Stadt teilnehmen wird, heute am 23. März, man wusste nicht Bescheid. Ich informierte das Goethe-Zentrum und übermittelte die Einladung von Zeki Ali, dem Vorstand der hiesigen Dichtergesellschaft. Keine Reaktion, leider,  vielleicht liest er aber diese Zeilen. Ein Austausch mit Nordzypern wäre sehr willkommen.

 

Ich lächele grimmig, es ist höchste Zeit, dass unsere Dichter weltweit gehört werden.

 

Bücher von Björn Kuhligk:

 

http://www.amazon.de/B%C3%BCcher/s?ie=UTF8&rh=n%3A186606%2Cp_27%3ABj%C3%B6rn%20Kuhligk&field-author=Bj%C3%B6rn%20Kuhligk&page=1

 

Meine Berichte zu dem 4. Internationalen Lyrikertreffen im Jahre 2009 in Nicosia lesen Sie bitte in meiner website www.heiditrautmann.com  unter cyprus art news - archive

http://www.heiditrautmann.com/category.aspx?CID=8627472526

 

Ein Poetentreffen fand im selben Jahr auch im Goethe-Zentrum statt, siehe unter Nr. 38 Art News / archive.









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